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René Träder: Mit Resilienz stark und zuversichtlich durch schwierige Zeiten

René Träder: Mit Resilienz stark und zuversichtlich durch schwierige Zeiten

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as uns im Laufe unseres Lebens an Problemen und Schicksalsschlägen begegnet, können wir oft nicht beeinflussen. Stärken können wir aber unsere psychische Widerstandsfähigkeit in der Krise. Der Psychologe und Anti-Stress-Experte René Träder verrät uns im Interview mehr über die Macht der Resilienz – und warum auch Altersvorsorge dazu gehört.

Herr Träder, was ist Resilienz und warum ist sie so wichtig?

René Träder: Resilienz ist ein anderes Wort für Elastizität und Anpassungsfähigkeit. In der Psychologie meinen wir damit die Fähigkeit, mit dem umgehen zu können, was unsere Psyche belastet: Alltagsstress, Krisen oder Schicksalsschläge. Man könnte sagen: Resilienz ist das Immunsystem unserer Psyche.

Corona, Klimawandel, Krieg: Wir leben in einer Zeit vieler Krisen. Ist das der Grund, warum immer mehr psychische Erkrankungen diagnostiziert werden?

René Träder: Dass wir heute mehr psychische Diagnosen haben, liegt zu einem gewissen Teil sicher an der allgemeinen Enttabuisierung von seelischen Erkrankungen und einer besseren medizinischen Unterstützung. Gleichzeitig besteht kein Zweifel, dass die letzten vier Jahre für unsere gesamte Gesellschaft ein enormer Stress waren. Die Zunahmen von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen sind dafür ein sehr besorgniserregendes Signal. Gerade beim Thema soziale Medien und anderen Verstärkern von negativen Nachrichten sollten wir daher sehr vorsichtig sein, wieviel Ballast wir uns und unseren Kindern noch auf die Schultern packen wollen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir immer noch mit dem Körper und dem Gehirn unserer Vorfahren aus der Steinzeit im Leben unterwegs sind. Für eine Welt mit einer derartigen Informations- und Problemdichte sind wir schlicht nicht gemacht.

René Träder sitz in einem Raum auf einer Stufe. Er schaut schräg an der KAmera vorbei und hat ein leichtes Lächeln aufgesetzt. Er hat einen roten Vollbart, ein kariertes Hemd an und einen schwarzen Hut auf. Im Hintergrund sehen wir einen SChreibtisch mit einer Obstschale.

René Träder


Wie erklärt es sich, dass wir Menschen da so unterschiedlich gestrickt sind? Manche können eine ganze Kette von Krisen verarbeiten, gehen sogar gestärkt daraus hervor. Andere zerbrechen daran.

René Träder: Ehrlich gesagt wissen wir meist ja nicht genau, wie es den Menschen innerlich wirklich geht. Wir haben zwar oft den Eindruck, dass die anderen ihr Leben erstaunlich gut hinkriegen. Aber vielleicht täuscht das und die liegen auch schlaflos und von Sorgen gequält nachts wach. Abgesehen davon ist es mit der psychischen Gesundheit ähnlich wie mit der körperlichen. Wir kommen nicht alle mit der gleichen Konstitution auf die Welt: Einige haben ständig einen Infekt oder erkranken schon früh an schweren Krankheiten wie Krebs, andere können jahrzehntelang rauchen, trinken und sich ungesund ernähren, ohne krank zu werden. Es gibt die Menschen, die genetisch großes Glück haben und Menschen, die sich aktiver um den Erhalt ihrer Gesundheit kümmern müssen. Das gilt für die Psyche genauso.

Meine Gene haben also einen Einfluss auf meine Resilienz?

René Träder: Ja, wir wissen heute, dass es durchaus genetische Veranlagungen für bestimmte psychische Erkrankungen gibt, zum Beispiel Schizophrenie, Depressionen oder Essstörungen. Wenn es da Fälle in der Herkunftsfamilie gab, besteht rechnerisch eine erhöhte Gefahr, auch daran zu erkranken. Das muss nicht passieren. Aber es lohnt sich schon, genauer hinzuschauen. So wie bei Herzinfarkten und Brustkrebs, wo man ja auch auf eine besonders gründliche Vorsorge achtet, wenn die entsprechende Familiengeschichte vorliegt.

Wenn Resilienz das Immunsystem der Psyche ist und die genetische Prägung ein Faktor, was sind denn dann die weiteren Stationen, in denen dieses Immunsystem aufgebaut und trainiert wird?

René Träder: Die zweite Quelle unserer Resilienz sind auf jeden Fall unsere frühkindlichen Prägungen. Wenn wir da in ein sicheres Umfeld hineingeboren worden sind, viel Zuneigung erfahren haben, unsere Bedürfnisse erkannt und respektiert worden sind, dann ist das eine gute Basis, um eine widerstandsfähige Psyche, Selbstbewusstsein, Selbstfürsorge und Selbstwirksamkeit zu entwickeln. Misshandlungen oder Missbrauch in der Kindheit vermitteln dagegen schon früh ein Gefühl der Ohnmacht, weil andere Menschen einen für die eigenen Zwecke missbrauchen und nicht respektieren. Solche Erfahrungen sollten auf jeden Fall später aufgearbeitet werden, weil die erlebten Verletzungen die seelische Widerstandskraft sonst dauerhaft begrenzen.

Und das ist auch schon der dritte Faktor, der unsere Resilienz beeinflusst: Unser lebenslanger Umgang mit unseren Erlebnissen und Gefühlen.

Wir können zu jedem Zeitpunkt unsere Resilienz stärken, wenn wir unser psychisches Erleben reflektieren und gut für uns sorgen.

Da geht es darum, unsere Stärken und Schwächen zu erkennen, unsere Triggerpunkte und Komfortzonen zu kennen, uns gegebenenfalls therapeutische Hilfe zu holen, Entspannungstechniken zu lernen oder auch mal das Smartphone beiseitezulegen, weil wir merken, dass uns das ständige Konsumieren von negativen Nachrichten nicht guttut.

Ein Schutz gegen Unglück und Schicksalsschläge ist Resilienz leider nicht.

René Träder: Nein, und dass wir in so einem Fall traurig sind, trauern müssen und dürfen, versteht sich von selbst. Aber im besten Fall entwickeln wir dank Resilienz eben irgendwann wieder die nötigen Kräfte, um mit den Schlägen des Lebens bewusst und aktiv umgehen zu können. Das ist der wichtigste Hebel, den wir haben, denn Negatives gehört zum Leben dazu. Enttäuschungen, Dinge, die nicht funktionieren, Beziehungen, die enden, Krankheiten, das Älterwerden, der Tod. Das ist die Normalität. Vieles davon versuchen wir in unserem gesellschaftlichen Alltag zu verdrängen, aber wir können ihm nur eine Zeitlang entkommen. Immer glücklich zu sein, immer alles zu schaffen, das kann nicht das Ziel sein. Aber wir können uns um ein gelingendes Leben bemühen.

Wie hilft mir Resilienz dabei, mit dem Älterwerden besser umzugehen?

René Träder: So wie Sport und eine nährstoffreiche Ernährung dabei helfen, auf gesunde Weise alt zu werden, können Sie auch mit entsprechendem Training, Selbstfürsorge und der richtigen geistigen Nahrung dafür sorgen, dass Sie auch als älterer Mensch gestärkt durch das Leben gehen – und besser mit den Belastungen und Herausforderungen dieser Lebensphase fertigwerden. Es ist gut, wenn man beizeiten gelernt hat, wie man wieder Lebensmut, Ideen und Energie entwickeln kann, wenn die Kräfte langsam schwinden.


René Träder sitz in einem Raum auf einer Stufe in lässiger Pose. Er schaut direkt in die KAmera und hat ein leichtes Lächeln aufgesetzt. Er hat einen roten Vollbart, ein kariertes Hemd an und einen schwarzen Hut auf. Im Hintergrund sehen wir einen SChreibtisch mit einer Obstschale.

René Träder


Welche Rolle spielt das Nachdenken über den Tod für die Resilienz?

René Träder: Wir leben oft so, als ob wir mit Sicherheit alle hundert werden. Wenn wir den Tod weniger verdrängen, haben wir die Chance, uns häufiger zu fragen, ob wir unsere Lebenszeit gut nutzen. Und uns zu vergewissern, dass wir die Dinge machen, die uns wichtig sind, die Zeit mit den Menschen verbringen, die wir lieben.

So stärken Sie Ihre Resilienz im Alltag

        • Pflegen Sie Freundschaften, Familie und soziale Kontakte: niemand ist eine Insel.
        • Schlaf, gesunde Ernährung, Bewegung an der frischen Luft: halten Leib und Seele zusammen.
        • Atemübungen, Meditationen, Yoga: Machen sie eine tägliche Routine daraus.
        • Ponys streicheln, Drachen steigen lassen, Singen: Schreiben Sie Ihre persönliche Das-Entspannt-Mich-Liste auf und nehmen Sie sich Zeit für Dinge, die Sie glücklich machen.
        • Gefühle nicht verdrängen, sondern lesen lernen: So kommen Sie sich selbst auf die Spur und nutzen die Energie der Emotionen für ein selbstbestimmteres Leben.
        • Das Positive sehen und Möglichkeiten nutzen: Fast nie ist wirklich alles schlecht. Nutzen Sie die Kraft von Dankbarkeitsritualen, um sich neue Lichtstreifen am Horizont zu erschließen.

Gibt es besonders empfehlenswerte Übungen für die Stärkung der Resilienz – so wie Kniebeugen für die Fitness oder der tägliche Apfel, der die Gesundheit bewahrt?

René Träder: Resilienzstärkend kann alles sein, was Ihnen auf eine gesunde Weise guttut, Sie erfüllt, erheitert, das Stresslevel runterfährt.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass Sie etwas wählen, was Ihnen Freude macht und es kein lästiger zusätzlicher Punkt auf Ihrer To-do-Liste wird.

Der Spaziergang im Morgengrauen, das Dankbarkeitstagebuch, der Tango-Tanzkurs, liebevolle Familienrituale oder auch die Selbstfürsorge, wenn Sie mal genauer schauen: Was brauche ich eigentlich, um mich in meiner Mittagspause wirklich zu erholen? Tun mir die Gespräche mit meinen Kollegen in der Kantine wirklich gut? Oder was könnte ich anders machen?


René Träder sitz auf einem Sessel. Er schaut lächelnd direkt in die Kamera. Er hat einen roten Vollbart, ein kariertes Hemd an und einen braunen Hut auf. Im Hintergrund steht ein Sideboard mit Obst und zwei Bilder an der Wand.

René Träder


Wenn man gestresst ist, ist so eine Frage manchmal gar nicht so leicht zu beantworten.

René Träder: Ja, die Kunst ist tatsächlich immer wieder, den Zugang zu seinen eigenen Emotionen zu finden und zu merken: Was brauche ich jetzt? Um den Block rennen, eine Pro- und Kontra-Liste schreiben, ein Mandala malen, einen Baum umarmen, mich im Bett verkriechen? Darin kann man tatsächlich besser werden, so wie man auch lernen kann zu spüren, ob einem ein bestimmtes Nahrungsmittel guttut oder nicht.

Wir sollten lernen, unsere Gefühle zu lesen?

René Träder: Ja, wir können lernen, uns von ihnen informieren und motivieren zu lassen. Und nicht von ihnen überfallen und gefangen nehmen zu lassen. Zum Beispiel die Wut. Man kann sie nähren und immer wieder anfachen. Oder sie genauer anschauen und sich fragen: Steckt auch Trauer oder Angst in meiner Wut? Worum geht es mir hier eigentlich? Das kann dabei helfen, anstrengende Gefühle loszulassen und ihre Energie zu nutzen, um wieder ins Handeln zu kommen. Die Wut weist uns darauf hin, dass eine Ungerechtigkeit passiert ist oder passieren wird, dass unsere Werte verletzt werden oder unsere Bedürfnisse bedroht sind. Sie wird von ganz allein wieder verschwinden, wenn wir für uns eingestanden sind und dafür gesorgt haben, dass die Dinge in unserem Sinne geschehen. 

Verantwortungsübernahme ist für Sie die wichtigste Komponente der Resilienz.

René Träder: Die grundsätzliche Denkweise, mit dem wir auf das Leben schauen. Wir können uns als Opfer der Umstände begreifen, oder wir übernehmen die Verantwortung für unser eigenes Leben. Natürlich haben wir nie 100 Prozent Einfluss auf alles, was geschieht. Aber ich muss dem Schicksal oder anderen Menschen auch nicht die ganzen 100 Prozent überlassen. Ich kann mich immer fragen: wo kann ich mein Leben gestalten, wo kann ich im Kleinen damit beginnen, wirksam zu sein und meinem eigenen Plan zu folgen?

Kann ich auch meine Resilienz stärken, indem ich mich aktiv um das Thema Altersvorsorge kümmere?

René Träder: Natürlich, das ist ein wunderbares Beispiel. Viele kennen das ja, dass man sich immer wieder aufs Neue ärgert, wenn der jährliche Rentenbescheid im Briefkasten liegt. Wenn Sie zusätzlich vorsorgen, haben Sie die Möglichkeit, die Opferrolle zu verlassen und selbst aktiv zu werden. Denn es ist ja so: Man kann sich lange beschweren und beklagen über die magere gesetzliche Rente, es hilft ja nichts: So sind gerade die Bedingungen. Wenn Sie aber vorsorgen und schauen, wie und wo sie noch investieren können, übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Leben, gestalten Ihre zukünftige Einnahmesituation aktiv mit. Man könnte auch sagen: Sie machen Ihrem zukünftigen Ich ein Geschenk. Und das stärkt Sie doppelt: heute mit einem guten Gefühl und in der Zukunft auch ganz praktisch. Das funktioniert übrigens auch im Kleinen, zum Beispiel wenn Sie gleich nach dem Mittag den Abwasch erledigen und damit Ihrem zukünftigen Ich die Freude schenken, später in eine wunderbar aufgeräumte Küche zurückzukehren. Probieren Sie es am besten gleich heute mal aus!

 

Zum Weiterhören: 7 mind Podcast

René Träder ist Psychologe, Autor und Podcaster. Für Menschen und Unternehmen in Veränderungsprozessen bietet er Coachings, Workshops und Vorträge an. In seinen Podcasts und auf Social Media beschäftigt er sich mit Stressmanagement, Resilienz und Achtsamkeit.

www.renetraeder.de

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