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Die Last der Vergangenheit: Können Jugendsünden verjähren?

Die Last der Vergangenheit:
Können Jugendsünden verjähren?

Über die Frage, ob und wie lange man Menschen die Dummheiten ihrer Entwicklungsphase vorhalten darf, wird immer wieder gern gestritten. Unsere Autorin dröselt auf, warum derartige Debatten meist im Nirwana enden.

Oh ja, nicht auf alle Dinge, die wir in unseren frühen Lebensjahren getan haben, sind wir besonders stolz. Peinliche Frisuren, persönliche Fehltritte, gedankliche Verwirrungen: All das gehört zum Erwachsenwerden dazu – so wie der Hang, Grenzen auszutesten und das Stilmittel der Provokation so lange einzusetzen, bis es quietscht. Von dieser Vergangenheit möchte man oft nichts mehr hören, nichts mehr sehen und auch nicht mehr darüber sprechen.

Wir reifen langsamer, als uns lieb ist

Man sollte nicht zu hart mit sich ins Gericht gehen und daran denken: Die Gehirnentwicklung des Menschen endet erst weit nach dem 20. Geburtstag. Vielleicht erinnern Sie sich auch an die eine oder andere jugendliche Verfehlung? Ich persönlich ziehe es an dieser Stelle vor, mein Sündenregister nicht komplett öffentlich zu machen. Dabei mag die Befürchtung, dass Sie mir meine Dummheiten nicht so ohne weiteres nachsehen könnten, durchaus eine Rolle spielen.

Sie kennen mich ja nicht

Nehmen wir einmal (natürlich rein fiktiv!) an, ich wäre in meiner Jugend mal auf einem gestohlenen Moped mitgefahren, weil ich das aus mir heute unerfindlichen Gründen aufregend fand. Wenn es das Erste und Einzige wäre, was sie über mich erfahren, dann wäre das möglicherweise ungünstig für Ihr Bild von meiner Person. Und es bestünde eine gewisse Gefahr, dass Sie mich dauerhaft mit dem Fehltritt von damals in Verbindung bringen und vielleicht sogar mit Misstrauen diesen Text weiterlesen.

Ob es tatsächlich so käme, hängt sicher auch davon ab, ob Sie ähnliche Erinnerungen an Ihre Jugend haben, die sie milde stimmen könnten. Ein wichtiger Faktor wäre auch, ob sich bei mir inzwischen erkennbar Einsicht und Besserung eingestellt haben. Schließlich würde es Ihnen sicher auch leichter fallen, mein Verhalten einfach unter tempi passati zu verbuchen, wenn ich Ihnen grundsätzlich sympathisch und vertraut wäre.

Es gibt schon einen Grund, warum wir Jugendsünden meist nur unseren engsten Freunden und Partnern gestehen – und ansonsten auf den gnädigen Mantel des Vergessens hoffen!

Der Faktor Zeit spielt dagegen beim Relativieren von Jugendsünden offenbar kaum eine Rolle. Verjährungsfristen gibt es schließlich nur in der Justiz und nicht auf dem Feld der öffentlichen Meinung – also da, wo wir uns meistens über das Thema in die Haare bekommen. Oft geht es dabei nicht um unsere privaten Peinlichkeiten (zum Glück!) sondern um Verfehlungen von Politikern – und die liegen nicht selten bereits Jahrzehnte zurück.

Erzwingen lässt sich das Vergeben nicht

Joschka Fischers Mitgliedschaft in einer militanten Gruppe zum Beispiel war über Jahrzehnte immer wieder ein Thema, bevor er für die meisten Deutschen doch noch ein respektierter Außenminister wurde. Haben ihm am Ende selbst seine härtesten politischen Gegner verziehen? Eher nein. Es wird auch heute noch Grollende geben. Denn Erzwingen lässt sich Vergeben nicht – und da es in der Politik immer gut ist, noch einen Pfeil im Köcher zu haben, tun sich die schärfsten politischen Gegner mit dem gnädigen Vergessen besonders schwer.

Verjährungsregeln für Jugendsünden?

Gibt es überhaupt Kriterien dafür, was als Jungendsünde zu gelten hat und kann man eine klare Verjährungsfrist dafür definieren? Beides wäre eigentlich fair und wünschenswert. Es entspricht aber nicht der Wirklichkeit. Tatsache ist: Es bedarf schon des guten Willens, um jemandem die Fehltritte in der Biografie nicht dauerhaft vorzuhalten. Ob jemand dazu bereit ist, das hängt neben dem Verhalten des „Sünders“ immer auch von subjektiven Faktoren bei der urteilenden Person ab, wie Vertrauen und persönliche (oder auch politische) Nähe. Kein Wunder, dass es bei Diskussionen über Jugendsünden immer so hoch hergeht – und so wenig dabei herauskommt.

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